Worum es in Kurs 5 geht
Im Kurs 5 lernen Sie Forschungsmethoden kennen, mit denen man die Welt der Straße erschließen kann.
25 Students |
Duration: 10 Wochen |
Lectures: 20 |
Video: 4 |
Weiterbildungs – Diplom (DAS) |
Im Kurs 5 lernen Sie Forschungsmethoden kennen, mit denen man die Welt der Straße erschließen kann.
Der Kurs 5 handelt von Forschungsmethoden. Dabei werden auch Themen wie “Fremdverstehen”, “Ethnographie”, “Biographieforschung”, “Kritische Lebensereignisse” usw. gestreift.
Was hat Straßenpädagogik mit Forschung zu schaffen?
Straßenpädagogen sind Anwälte von Kindern und Jugendlichen, die in besonderen Risikosituationen leben, von jungen Menschen, deren Lebensmittelpunkt die Straße ist. Sie wollen ihnen helfen, ihre Lebenschancen und Überlebenskompetenzen zu stärken und ihre Zukunftsaussichten zu verbessern.
In der Regel lernen Straßenpädagogen die Welt der Straße erst in dem Augenblick richtig kennen, in dem sie in ihr tätig werden. Sie müssen dieses unbekannte Terrain erkunden, um zu wissen, wie man sich darin bewegt und was einen dort erwartet. Erst wenn sie die Situation der Straße einigermaßen überblicken, erkennen sie, welche Bildungsangebote sinnvoll und realistisch sind. Bildung auf der Straße geht deshalb immer mit Straßenerforschung einher.
Da die Didaktik der Straßenpädagogik, ausgerichtet auf die Lebenswelt obdachloser Kinder, die Erforschung der Straße voraussetzt, leistet jeder Straßenpädagoge ein Stück Alltagsforschung. Er macht sich auf den Weg der Erkundung des öffentlichen Raumes, den Straßenbewohner zu ihrem persönlichen Raum erkoren haben.
Um sozial benachteiligte, randständige, ausgegrenzte Kinder und Jugendliche bilden und unterrichten zu können, wird der Straßenpädagoge die Welt der Straße, die ihm als Außenstehendem anfangs noch fremd sein mag, so genau wie möglich erkunden. Er will wissen, wie die Menschen dort leben, was sie arbeiten, wie ihr Tag verläuft, was sie essen, woher sie stammen, wie sie mit Freunden verkehren, wo und wie sie übernachten und vieles mehr. Erst nachdem Straßenpädagogen das „Feld der Straße” so gut kennen gelernt haben, dass sie sich darin zurechtfinden und die Existenzweisen von Straßenbewohnern ein Stück weit verstehen, können sie ermessen, welche Lebenshilfen und Bildungsangebote angebracht und nützlich sind.
Ein probates Mittel und eine gute Orientierungshilfe, um sich auf die Verhältnisse der Straße einzustellen und sich dort angemessen zu bewegen, vor allem aber, um wahrzunehmen, was vor sich geht, ist das Studium ethnographischer und biographischer Forschungsmethoden. Straßenpädagogen können von den Erfahrungen, die sich in empirischen Forschungsmethoden niedergeschlagen haben, lernen und profitieren.
Und hier noch ein Hinweis:
Die meisten Fotos, die diesen Kurs illustrieren, wurden von jungen Straßenbewohnern selbst aufgenommen und zwar mit Einwegkameras (“cámeras desechables”). Die dabei zielführende Methode – die Fotoethnographie – wird im letzten Teil dieses Kurses vorgestellt.
Aufgabe 5.01: Forum
Was halten Sie von dem Anspruch, dass sich Straßenpädagogen mit Forschungsmethoden beschäftigen sollen – ist diese Forderung realistisch und lohnend, oder stellt sie Ihrer Meinung nach eine unnötige Überforderung dar?
Begründen Sie Ihre Sicht der Dinge (indem Sie, wenn möglich, auf eigene Erfahrungen verweisen) und diskutieren Sie darüber im Forum.
Link: Diskussionsforum
Hier werden strittige Probleme besprochen, unklare Sachverhalte geklärt und Beiträge der Teilnehmer veröffentlicht.
Straßenpädagogen im „Feld der Straße“
Bevor Sie sich mit dem neuen Thema weiter beschäftigen, soll Sie der folgende Videoclip auf die “Erforschung der Lebenswelt Straße” einstimmen:
Straßenpädagogen sollen Experten der Lebenswelt Straße sein. Sie begegnen dort einer ihnen zunächst ungewohnten Daseinsweise, die sie dennoch sensibel wahrnehmen und auf die sie empathisch reagieren sollen.
Indem sie Kontakt zu Kindern und Jugendlichen der Straße suchen, dringen sie in eine Welt ein, die ihnen zuvor in vielerlei Hinsicht unbekannt war. Denn sie haben in der Regel weder Obdachlosigkeit noch Drogenkonsum, weder Prostitution noch Kriminalität persönlich kennengelernt, geschweige denn hautnah erfahren. Das Fremdverstehen der Menschen auf der Straße erfordert ein Minimum an eigener Straßenerfahrung, damit sich die Erfahrungen des Straßenpädagogen mit den Erfahrungen der Kinder und Jugendlichen der Straße verknüpfen lassen.
Fremdverstehen
„Das Konzept des Fremdverstehens hat maßgeblich Alfred Schütz (1974)in seiner theoretischen Betrachtung von Verstehensprozessen innerhalb alltäglicher Kommunikationssituationen herausgearbeitet: Innerhalb dieser nimmt ein Kommunikant (ego) stets eine Deutung dessen vor, was ihm von einem anderen Kommunikanten (alter) mitgeteilt wird. Jeder der beiden Kommunikanten kommuniziert dabei auf der Basis des eigenen Wissenshintergrundes (Relevanzsystems) (…) Die zu verstehende Mitteilung, die der eine Gesprächsbeteiligte kommuniziert, kann der andere Gesprächsbeteiligte nur verstehen, indem sie an das eigene Relevanzsystem adaptiert wird. (…) Verstehen stellt damit immer das Verstehen von Fremdem dar, denn alles, was außerhalb unseres eigenen Relevanzsystems existiert, ist uns grundsätzlich fremd. Genau diese Tatsache wird jedoch in alltäglichen Kommunikationsprozessen bewusst ausgeblendet: Wie Alfred Schütz betont hat, wird nur mit der Reziprozität der Perspektiven, welche zwei idealisierende Unterstellungen umfasst, nämlich die Idealisierung der Vertauschbarkeit der Standpunkte und die Idealisierung der Kongruenz der Relevanzsysteme, Kommunikation praktisch möglich. Alfred Schütz hat in diesem Zusammenhang pointiert, dass F. somit stets eine Selbstauslegung bleibt, da wir eben nur mit unserem Relevanzsystem verstehen können. Verstehen ist damit immer nur als eine relative Annäherung an das Fremdzuverstehende aufgrund von Idealisierungen sowie Annahmen in Hinblick auf eine sozial geteilte Welt und von praktischen Aushandlungen sowie akzeptierten kommunikativen Basisregeln möglich.“
Jan Kruse: Lexikon der Psychologie; Fundstelle: https://portal.hogrefe.com/dorsch/fremdverstehen/
In diesem Prozess erwirbt der Straßenpädagoge Erfahrungen und Kenntnisse der jeweiligen Armuts-, Exklusions- und Deprivationssituationen (mit diesen Themen haben Sie sich im Kurs 4 dieses Programms beschäftigt). Eigene Anschauung, Erfahrung und deren Reflexion befähigen ihn dazu, komplexe fremde Lebenswelten zumindest ansatzweise zu verstehen.
Der Vorgang beginnt mit dem Versuch der Annäherung – mit tastenden Schritten, ersten Versuchen der Kontaktaufnahme, in die oft Unsicherheit und Angst, mitunter auch Ekel und Aversion hineingemischt sind (über diese Problematik haben Sie in Kurs 2 nachgedacht).
Ziel ist es nun, die Umstände des Straßenlebens und die dort gängigen Kommunikations- und Verhaltensweisen so gut wie möglich kennen zu lernen und zu erfassen – in methodischer und pädagogischer Absicht.
2. Wenn Ihnen bereits unterschiedliche Richtungen oder Konzeptionen empirischer Untersuchungen in Ihrem Studium, in Ihren Erfahrungsfeldern oder aus der Lektüre bekannt geworden sind, so überlegen Sie bitte, welche Art der Forschung Ihrer Meinung nach auf der Straße Anwendung finden könnte. Begründen Sie Ihre Entscheidung.
3. Kennen Sie Forschungsmethoden, die leicht zu erlernen sind und Ihnen für die straßenpädagogische Praxis geeignet erscheinen? Welchen Forderungen müssten diese Methoden Ihrer Meinung nach genügen?
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